TIA: Bild- und Projektionssatz (Lernziele KE6 2/4, Update)
Update: Schnitzer im Projektionssatz aufgefallen. Fixed.
Als ich die letzten Beiträge zu Kurseinheit 5 von TIA durchgegangen bin, ist mir aufgefallen, dass einige Beweise doch noch nicht so nachvollziehbar sind, wie ich das gerne hätte.
Nach dem Editieren kam ich auf eine Seitenzahl von über 20. Schon wieder. Da blieb mir also nichts anderes übrig, als den Beitrag zu KE6 erneut zu trennen. Schwierigkeiten machten mir aber die Kommentare zu den Lernzielen als alles noch ein einzelner Beitrag war. Diese zu verschieben war ohne manuellen Eingriff in die Datenbank nicht möglich.
Solltet Ihr daher auf Kommentare treffen, die nicht unbedingt zu dem Beitrag hier passen: meine Schuld. Sie gehören dann zu einem der drei anderen.
Dieser Artikel ist brandneu und die anderen Beiträge zu KE6 sind teilweise massiv überarbeitet worden. Eine erneute Lektüre könnte sich also lohnen wenn Ihr bei KE6 der theoretischen Informatik A noch strauchelt und den Sachverhalt gerne mal in anderen Worten gelesen hättet.
Lange Rede, kurzer Sinn: Das sind also die Beiträge zu Kurseinheit 6.
- TIA: Rekursive und rekursiv-aufzählbare Mengen (Lernziele KE6, 1/4)
- TIA: Bild- und Projektionssatz (Lernziele KE6 2/4)
- TIA: Halte- Äquivalenz- und Korrektheitsproblem, Reduzierbarkeit, Satz von Rice (Lernziele KE6, 3/4)
- TIA: Gödel'scher Unvollständigkeitssatz (Lernziele KE6, 4/4)
Dieser dreht sich komplett um den Bild- und Projektionssatz. Ursprünglich war er nicht einmal eine halbe Seite lang. Als ich den Beweis dann Schritt für Schritt nachvollzog, wuchs er auf die aktuelle Größe heran. Tja, und da ist er nun.
Lernziel 5
Charakterisierung der r.a. Mengen durch Bild- und Projektionssatz
Die Charakterisierung ist wie folgt definiert:
1.
ist r.a. gdw.
oder
für ein
2.
ist r.a. gdw. es eine rekursive Menge
gibt mit
Nr. 1 bedeutet, dass eine Menge dann rekursiv ist, wenn sie von einer totalen, rekursiven Funktion
aufgezählt werden kann, d.h. dass
Bild dieser Funktion ist.
Nr. 2 ist der Projektionssatz: eine Menge ist r.a. wenn sie die Projektion einer rekursiven Menge ist. Das Bild im Skript ist relativ eindeutig wenn man weiß, nach was man schauen muss. Ich nehme hierzu ein konkretes Beispiel mit und der Menge
, welche aus
Tupeln besteht.
Wir haben also zwei Achsen, die wir wie in der Definition und
nennen. So sieht es dann aus:
Das Bild ist angelehnt an das aus dem Skript, nur mit einer Sonne, die ich gleich erkläre. Im Skript steht
"Die Projektion ist der eindimensionale Schatten bei der Beleuchtung von oben".
Wir machen aus unserem -Tupel nun ein
-Tupel: Uns interessieren nur die
-Werte aus den Tupeln, und so kommen wir auf die 2. x-Achse im Bild für unser
. Das ist unsere vorderste Front.
Der Projektionssatz sagt also aus:
War unsere Menge
rekursiv (entscheidbar), so ist unsere Projektion
rekursiv aufzählbar (r.a.). Die Umkehrrichtung gilt auch: Ist unsere Projektion r.a., so ist die Menge
entscheidbar.
Aber beweisen wie diese Aussagen zunächst:
1. Teilbeweis zu Nr. 1: oder
mit
.
Das ist umgangssprachlich am besten so auszudrücken: eine leere Menge ist der Definition nach immer rekursiv/entscheidbar. Also Auch immer rekursiv aufzählbar/semi-entscheidbar. Hier gibt es für uns nichts weiter zu beweisen.
Ansonsten gilt: wenn die Menge durch eine totale Funktion aufgezählt werden kann, so ist diese Menge rekursiv-aufzählbar/semi-entscheidbar. Das ist leicht einzusehen: Semi-Entscheidbarkeit einer Menge bedeutet ja, dass für für jedes Element aus
immer einen positiven (oder negativen, aber nicht beides gleichzeitig) Bescheid bekommen und somit auch
tatsächlich die Bildmenge der Funktion ist, die sie entscheidet: nämlich
ist.
Haben wir z.B. die Gesamtmenge der Instanzen für das Post'sche Korrespondenzproblem und wollen wir daraus die Menge der lösbaren Instanzen konstruieren, so können wir für jedes Element der Gesamtmenge die Funktion laufen lassen, die es in jedem Fall positiv entscheidet wenn eine Lösung dafür gefunden wurde (dass wir das können, haben wir im letzten Beitrag schon gezeigt) und somit jedes Element aus der Menge
, der Menge der gelösten Probleminstanzen, aufzählen.
Genau diese Definition begründet den Namen Art von Mengen: sie werden von aufgezählt und sind damit rekursiv aufzählbar.
Das war der erste Teil. Kommen wir nun zum Umkehrschluss.
2. Teilbeweis zu Nr. 1: oder
mit
.
Fall 1: : Wir nehmen an, dass die
leer ist. Nun suchen wir eine Funktion
, die für alle Eingabewerte
kein Ergebnis liefert und setzen
als Definitionsmenge dieser Funktion
:
. Damit haben wir den ersten teil gezeigt.
Fall 2: Nun nehmen wir eine totale Funktion und setzen
als Bildmenge von
:
. Jetzt kommt unser
ins Spiel:
Was macht ? Es gibt uns für einen Eingabewert
das kleinste
, wo gilt, dass der Funktionswert von
bei der Eingabe von
genau
ist.
Man mache sich hier klar, dass egal, was als Eingabewert bekommt, wir immer
zurückbekommen (denn die leere Menge
ist die Bildmenge von
).
kann im Gegenzug alle Werte aus
bekommen und auf alle abbilden. Diese Funktion ist offensichtlich berechenbar.
Das bedeutet: für ein gibt es auch ein
mit
. Da
ist, gilt:
und
ist somit rekursiv aufzählbar.
Und das war der zweite Teil.
1. Teilbeweis zu Nr. 2:
Zeigen wir zunächst den umgekehrten Weg von Punkt 2 mit: . Dafür gehen wir davon aus, dass eine Menge
rekursiv aufzählbar ist:
- Dann gibt es eine Gödelnummer
für ein
mit
existiert.
Es gibt also eine Maschine mit der Nr. , die uns zum Element
eine Ausgabe beschert. Die Cantorsche Tupelfunktion
ist hier nur dazu da um eine evtl. Mehrstelligkeit
der Eingabe für die Maschine auf eine Stelle herunterzurechnen.
- Gibt es die Maschine mit der Nr.
, so gibt es auch selbstverständlich die dazu gehörige Schrittzahlfunktion
, die im
-Theorem benutzt wird:
Kennen wir alles schon: das ist die Anzahl der Schritte, die bei der Eingabe von
braucht um zum Ende zu gelangen. Da die Menge
rekursiv aufzählbar ist, existiert für jedes
diese Rechenzeitfunktion
.
- Und damit gilt:
Es gibt also ein kleinstes , d.h. die minimale Anzahl der Schritte, die die Maschine
bei der Eingabe von
rechnet um bis zum Ergebnis zu gelangen. Es gibt aber auch noch mehr
. Eben die, die kleiner sind als die maximale Schrittzahl, die die Maschine bei der Eingabe von
rechnet um bis zur HALT-Marke zu gelangen.
- Nun definieren wir die Menge
Die Paare sind also die Eingabe für die Maschine
und
die Anzahl der Schritte, die die Maschine bis zum Ergebnis rechnen könnte. Sagen wir z.B. die Maschine rechnet bei der Eingabe von
genau
Schritte bis sie an der
-Marke ankommt, so kann
sein. In der Menge
würde daher
liegen.
- Nach dem
-Theorem ist diese Menge
also entscheidbar.
Das sollte klar sein: das Paar , also die Eingabe
und die Rechenzeit
ist entscheidbar, da wir für jedes
(wenn es in der Menge
ist) immer einen Ausgabewert haben, ist auch die maximale Schrittzahl immer gegeben. Wir können entscheiden ob die Maschine bei der Eingabe von
nach
Schritten hält oder nicht.
Anders ausgedrückt: Wir können fragen: "Hey, gilt und
prüft ab ob bei der Eingabe von
die Maschine innerhalb von
Schritten zum Ergebnis kommt und kann dann sagen "Ja, das geht!" oder "Nein, ging nicht!". Diese Menge ist also Entscheidbar.
Der eine Weg von Punkt 2 ist damit gezeigt.
2. Teilbeweis zu Nr. 2:
Und nun die andere Richtung: . Sei
also rekursiv/entscheidbar.
- Setzen wir die Menge
ist, wie wir wissen ja entscheidbar. Zu einer Eingabe erhalten wir (wenn sie zu einer r.a. Menge gehört) auch eine maximale Rechenzeit und können so prüfen ob sie
entspricht oder größer/kleiner ist. Hier ist
also die Menge der Eingaben, d.h. die ersten Elemente aus den Tupeln von
, die aus Eingabe
und zugehörigem Wert für eine angenommene Rechenzeit
bestehen.
- Nun definieren wir unsere "Projektionsfunktion" durch
Was tut ? Zunächst fragen wir uns, was tut
? Das ist die (volle) charakteristische Funktion für die Menge
. Sie gibt uns eine
zurück wenn die Maschine bei der Eingabe von
nach maximal
Schritten hält.
Und ? Sie gibt uns das kleinste
zurück, d.h. die minimalste Anzahl an Schritten, die benötigt werden um bei der Eingabe von
von der Maschine eine Ausgabe zu erhalten, denn in unserer menge
liegen ja durchaus mehrere Kombinationen von
mit den unterschiedlichsten
.
Mit bekommen wir das also für die Eingabe
kleinste
.
Der Definitionsbereich von sind somit alle Elemente aus
und
damit rekursiv aufzählbar.
Done.
Exkurs: den Unterlagen der Uni Düsseldorf kann man den Projektionssatz auch mit einer anderen Menge beweisen, z.B. mit
(wobei
die Eingabe und
das durch die Tupelfunktion
auf ein Element
zurückgeführte Paar aus Ausgabe
und Schrittzahl
ist) wenn
(auch Turingprädikat genannt) erfüllt ist.
Das Turingprädikat ist genau dann erfüllt wenn Maschine bei der Eingabe von
nach
Schritten mit einer Ausgabe
hält.
Im Endeffekt also nur ein kleines Upgrade unserer Menge .
Fassen wir die Ergebnisse zusammen, kommen wir so zu unserer Antwort zum Lernziel.
Antwort zum Lernziel: Der erste Teil des Projektionssatzes ist der Grund für den Begriff "rekursiv-aufzählbar" für eine Menge . Diese ist genau dann rekursiv-aufzählbar wenn ihre Elemente von einer totalen Funktion
aufgezählt werden können, es gilt damit
und
ist r.a.
Der zweite Teil ist die Projektion, die aus den Eingabewerten einer r.a. Menge
besteht. Da diese positiv beschieden sind, gibt es auch die zugehörige Anzahl an Schritten, die die Maschine für den positiven Bescheid brauchte. Setzen wir in den Tupeln
das Element
auf Werte, die höher sind als die Schrittzahlfunktion der Maschine bei der Eingabe
, so haben wir in der Menge
mehrere Tupel der Form
mit festem
und variablem
.
Aus diesen Elementen der Menge bilden wir die
- und
-Achse unserer Grafik. Diese Wertekombinationen aus
und
sind entscheidbar (ich kann entscheiden ob ich zu einer positiven Eingabe
mehr als
Schritte brauche oder nicht). Das ist der Weg von einer rekursiv-aufzählbaren Menge
zu einer entscheidbaren
.
Auch der Rückweg gilt: aus der Menge mit den Elementen
kann ich mir meine Eingabewerte
wieder rausholen, indem ich mich nur für das kleinste
interessiere (die Minimierungsfunktion). Damit "blende" ich alle anderen Kombinationen mit größerem
einfach aus. Das ist die Projektion.
Merksatz: Eine Menge ist rekursiv aufzählbar wenn sie die Projektion einer entscheidbaren Menge ist.
Weiter geht es im nächsten Beitrag zum Halte- Äquivalenz- und Korrektheitsproblem, Reduzierbarkeit und Satz von Rice
Sie können zum Ende springen und ein Kommentar hinterlassen. Pingen ist im Augenblick nicht erlaubt.
Dezember 29th, 2013 00:16
Hi!
Erstmal vielen Dank für diese Seite! Du verstehst es wirklich zu ca 80 % das "Mathekauderwelsch" des Skriptes in verständlicher Art zu erklären. Aber das hier verstehe ich leider trotzdem noch nicht:
2. Teilbeweis zu Nr. 1 Fall 2.
Wo kommt auf einmal f her und wieso ist hier A auch die leere Menge? Weiteres wäre ja dann wenn für ganz g gilt Bild(g) = div , dass auch f nur div hervorbringt oder?